Liebe Freundin, lieber Freund,
Sag mal, wie oft am Tag bist du bei dir? „Seltsame Frage“, magst du denken. „Ich bin doch jede Minute bei mir!“ Nein, wir sind zwar physisch bei uns und mit uns, aber mit unserer Aufmerksamkeit sind wir sehr oft nicht bei uns, sondern im Außen unterwegs. Wir denken ständig an andere oder an das, was zu tun ist oder an das, was gestern war. Wir verlieren uns oft im vielen Denken unwahrer Gedanken, sei es an Vergangenes oder an Zukünftiges. An Vergangenes meist mit Gefühlen des Ärgers oder des Bedauerns, an Zukünftiges oft mit angstvollen Gedanken. Aber nur wenige Menschen sind oft am Tag bei sich selbst im Hier und Jetzt, d.h. präsent im Augenblick. René Descartes hat den Satz geprägt: „Ich denke, also bin ich!“ Heute könnten wir sagen: „Ich denke, also bin ich nicht da!“ Es fehlt uns oft an Gegenwärtigkeit, am wirklichen bewusst gefühlten Da-Sein in unserem Körper, an Achtsamkeit für das, was unser Körper und unser Herz uns sagen will.
Ich empfehle dir, Bewusstheit und Gegenwärtigkeit einzuüben bei allem, was du tust und ganz bei dir zu sein und bei dem, was du gerade tust. Ob du dir die Zähne putzt oder duschst, ob du isst oder auf den Bus wartest, ob du deiner Arbeit nachgehst oder mit jemandem sprichst: Bleibe bewusst im Kontakt mit dem, was du in dir fühlst und spürst; sowohl mit den Empfindungen deines Körpers als auch mit deinem Herzen, dass dir in jedem Moment signalisiert, was sich stimmig und was sich nicht stimmig anfühlt, was mit Freude verbunden ist und was nicht. Und immer dann, wenn du in Gedanken abschweifst oder dich wieder mal in ihnen verloren hast, nimm zwei, drei tiefe Atemzüge und komm bewusst wieder im Fühlen deines Körpers an.
Unbewusst sind wir geradezu auf der Flucht vor uns selbst, vor dem, was in uns darauf wartet, wahrgenommen zu werden. Neben den Empfindungen wie Unruhe, Anspannung, Druck, Erschöpfung u.a. sind es unsere Gefühle wie Angst, Unzufriedenheit, Wut, Ohnmacht, Scham und Schuld, vor denen wir weglaufen, anstatt uns ihnen bewusst zu stellen und sie bejahend zu fühlen. Stattdessen lenken wir uns meist von ihnen ab, verdrängen sie, schlucken sie herunter und belasten unseren physischen Körper mit ihnen. Denn dieser kann keine Gefühle verdauen. Sie bleiben in ihm stecken und machen ihn auf Dauer krank. Abgelehnte, verdrängte Emotionen sind aus meiner Sicht die erste Ursache für die Entstehung unserer Krankheiten.
So machen wir uns zum Opfer unserer eigenen Gefühle. Denn was wir ablehnen, bekämpfen, ignorieren oder verdrängen, dem geben wir Macht. Darum laufen die meisten Menschen mit chronischer Unzufriedenheit, mit Ärger oder Wut im Bauch und mit vielen Ängsten durch ihre Tage. Das ist das Gegenteil eines glücklichen Lebens.
Mein Appell lautet also: Mache mehrmals am Tag eine 2-3 minütige Pause zum bewussten Fühlen all dessen, was jetzt im Moment in dir ist. Gehe in einen bewussten tiefen Atemrhythmus und fühle a) die Empfindungen deines Körpers und b) deine Emotionen. Sage dir: „Alles in mir darf jetzt da sein. Ich bin bereit, es zu fühlen.“
Der November ist mit seinen kurzen Tagen und seiner Dunkelheit ein guter Moment, um sich vermehrt Zeit für seine Innenwelt zu nehmen. Wie sagt Gott in „Gespräche mit Gott“ von Neale D. Walsch: „Und gehst du nicht nach innen, dann gehst du leer aus!“
Ich wünsche dir einen besinnlichen November mit Zeit für dich und deine Innenwelt.
Herzliche Grüße
Dein
