die Hitze in Nordeuropa macht gerade vielen zu schaffen. Wenn etwas - wie jetzt der Regen - über längere Zeit ausbleibt, über den sonst viele gern klagen, können wir das Geschenk des Wassers wieder wertschätzen lernen. Es ist für uns selbstverständlich, dass wir den Hahn aufdrehen und uns gutes Wasser in Mengen zur Verfügung steht. Für viele andere auf der Welt klingt das wie Luxus.
Wie beim Wasser geht es uns bei vielen Dingen, an die wir uns gut und gerne gewöhnt haben, weil wir das Gegenteil davon nicht erlebt haben. Wer nie persönlich Krieg, Vertreibung, Hunger, fehlende medizinische Grundversorgung und andere krasse Mangelzustände in seinem Leben erlebt hat, dem fehlen oft die Wertschätzung und Dankbarkeit für die Fülle, aus der er jeden Tag schöpft.
Ähnlich verhält es sich mit unserer Freiheit und dem Frieden in unseren Ländern und Gemeinschaften, wie Familien, Firmen und Organisationen. Wenn wir uns lange an solche Errungenschaften gewöhnt haben, dann laufen wir Gefahr, ihren Wert zu vergessen und beides aufs Spiel zu setzen.
Genau das tut zurzeit eine Vielzahl von Menschen, die völlig unbewusst mit ihrer persönlichen Unzufriedenheit und ihrem Unfrieden mit sich selbst umgehen und im Außen dafür Schuldige suchen, anklagen und verurteilen. Sie sind sich nicht bewusst, dass es vor allem ihre über lange Zeit verdrängten Gefühle der Angst und Ohnmacht sind, die jetzt hochgeholt werden in dieser Transformationszeit und die sie wütend werden lassen, obwohl es ihnen im Materiellen an nichts fehlt.
Ältere Menschen kennen noch den Satz „Es muss wohl mal wieder Krieg geben, damit die Mensch das Beten wieder lernen“. Und alle kennen den Spruch: „Wenn’s dem Esel zu gut geht, dann geht er auf’s Eis.“ Beide beschreiben das Verhalten vieler Menschen, die ihre Wertschätzung, Dankbarkeit und Liebe für das verloren haben, was das Leben, die Natur, die Gesellschaft und andere Menschen ihnen täglich bieten. Wenn wir uns lange an etwas gewöhnt haben wie auch an den Partner, unsere Arbeit oder an die Gesundheit unseres Körpers, müssen oft Erschütterungen und Krisen auftreten und das scheinbar Selbstverständliche muss wegbrechen. Warum? Damit wir es dann wieder wertschätzen lernen.
Vielleicht fahren Sie in den kommenden Wochen noch in Urlaub. Verschwenden Sie diese kostbare Auszeit nicht für Ablenkung und Verdrängung des Unerfreulichen, sondern nutzen Sie sie als bewusste ‚Auszeit‘ und zum inneren Abstand vom täglichen Machen und Tun, um wieder das Wesentliche ins Auge zu fassen, um das es in unserem Leben hier im Körper geht. Fegen Sie im Ur-laub das Laub Ihres Lebens zusammen, so wie der Bauer das im Herbst tut und erinnern Sie sich an das ‚Ur‘, den Kern, der unser Leben und das in unseren Gemeinschaften lebenswert macht: unser Herz und die Liebe zu uns selbst, zu anderen und zu allem, was wir tun und genießen. Dazu gehören der Respekt, die Wertschätzung, die Dankbarkeit und das Mitgefühl für unseren Nächsten.
Hier auf der herrlichen Insel Lesbos verabschiede ich heute wieder 40 Frauen und Männer zwischen 30 und 70 Jahren, die das Laub ihres Lebens in einer (Transformations-)Woche gut gefegt haben. Und ich kann Ihnen kaum beschreiben, was sich im Geist, im Herzen und im Körper dieser Menschen alles bewegt hat. Ich stehe davor nur dankbar, tief berührt und hoch erfreut darüber, was möglich ist, wenn sich das Herz öffnet für die Liebe.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr Robert Betz,