ich grüsse Sie herzlich von der Insel Lesbos.
Wenn ich mit Menschen über ihr Verhältnis zu unserem Land, zu Deutschland, zu Wirtschaft, Politik und Gesellschaft spreche, dann bemerke ich in den letzten Jahren eine immer grösser werdende Distanz und Entfremdung diesen gegenüber. Viele gefallen sich darin, zu schimpfen über korrupte Manager, die dazu noch Millionengehälter einstreichen und über "unfähige Politiker", die sich jährlich die Diäten erhöhen.
Es ist keine Frage, dass Bürger und Medien Vorgänge in Wirtschaft und Politik kritisch verfolgen und kommentieren sollen. Was bei uns jedoch heute, in Zeiten zunehmender wirtschaftlicher Veränderungen und Unsicherheit, bei breiten Bevölkerungsgruppen und spiegelgerecht bei den Medien geschieht, ist ein zerstörerischer Vorgang von "unten", den wir in wenigen Jahren bitter bereuen könnten. Es ist ein zutiefst trennendes, verurteilendes, verachtendes Denken, das viele Menschen ausgerechnet den Institutionen entgegenbringen, aus deren Quelle ihr materielles Wohlergehen sowie ihre Sicherheit entspringen.
Hier findet sich eine unglaubliche Anspruchshaltung, die viele Menschen im (immer noch) Wohlstands-Deutschland ihrem Staat und ihrer Wirtschaft gegenüber an den Tag legen. Es ist die Haltung eines verwöhnten, längst in die Jahre gekommenen Kindes, das nicht bereit ist, seine Verantwortung zu übernehmen für sein Leben. Diese Haltung dem Staat gegenüber ist vergleichbar der gegenüber einem Vater, der sein Bestes gibt, sein Kind zu versorgen mit allem, was es braucht und von diesem dafür beschimpft und verachtet wird. Aber dieser Staat ist nicht unser Vater! Wer ist dieser Staat? Wer ist dieses Deutschland? Wir sind Deutschland! wie es vor einiger Zeit in einer Kampagne richtig hiess. Aber das gilt anscheinend nur bei Fussball-Welt- oder -Europameisterschaften.
Für dieses Haus Deutschland, für dieses Land ist jeder von uns absolut mitverantwortlich, nicht weniger als ein Politiker oder ein Unternehmer. Wir wollen viel haben von diesem Land, stecken aber seit Jahren in einer anklagenden, reklamierenden und veurteilenden Anspruchshaltung ihm gegenüber. Wir schimpfen auf Politiker, wollen deren Job aber nicht machen. Wir fordern von der Wirtschaft Arbeitsplätze, verurteilen und verachten jedoch erfolgreiche Unternehmer und die Wirtschaft insgesamt am laufenden Band. Wir lieben weder Deutschland, noch die deutsche Wirtschaft, noch die deutsche Politik, wollen aber, dass Sie uns nähren und versorgen. Zu diesem "Vater Staat", in dem wir seit über 60 Jahren in Frieden und Wohlstand leben – wie keine Generation vor uns – haben wir die denkbar unangemessenste Haltung. Er soll uns nähren, aber viele "pinkeln" auf ihn und wollen sich nur bedienen. Sie wollen nehmen, aber nichts geben. Frage an uns alle: Was geben wir diesem Land? Was tun wir – jeder von uns – in unseren Gemeinden und Städten, in unseren Schulen und Vereinen und an unseren Arbeitsplätzen für dieses Deutschland und seine Menschen?
Ein Land ist, wie eine Familie oder eine Firma, eine Einheit, in der jedes Mitglied einen immensen Einfluss hat und damit verantwortlich ist für den Zustand dieser Einheit. Wenn Millionen sich nicht mit diesem Land in bester Weise identifizieren, dann geht es den Bach hinunter. Es sind nicht die Parteien, es sind nicht die Behörden oder andere Strukturen, die ein Land zusammenhalten. Es ist einzig und allein das Bewusstsein und die Liebe seiner Bürger zu diesem Land und das hieraus entspringende Engagement. Nur was du wirklich liebst, kannst du besitzen, nur das gehört dir. Die Liebe ist der "Klebstoff", der die Dinge zusammenhält, sagt Jesus so schön im schon oben zitierten Buch "Unendliche Liebe".
Ich bin stolz auf unser Land und auf die Talente und Fähigkeiten so vieler Menschen bei uns. Ich lade jeden herzlich ein, sich zu besinnen auf ein neues, bejahendes, unterstützendes Verhältnis zu Deutschland und zu einem neuen Denken und Handeln in Gemeinschaft. Fragen Sie sich bitte: Was kann ich in meinem Umfeld, in meiner Firma, in meinem Verein, an meiner Schule, in meiner Gemeinde oder Stadt tun für die anderen und für alle gemeinsam? Wo kann ich meine Verantwortung übernehmen? Wo hat das verurteilende, trennende Denken Mauern aufgebaut zwischen den Menschen und Gruppen und was kann ich selbst ganz praktisch tun für Verstehen, Verbindung, Versöhnung und für ein neues Gemeinschaftsbewusstsein? Unser Land braucht jeden von uns. Es braucht unsere Liebe und unser Engagement, unsere Aufmerksamkeit und unser Herz.
Ich wünsche mir sehr, dass wir wieder eines neuen verbindenden Geistes werden; eines Geistes, der sich bewusst ist, dass jeder von uns zum Ganzen und das heißt, zu uns, gehört.
Wir sind nicht nur für unser kleines privates Wohl verantwortlich. Wir alle sind dafür mitverantwortlich, was in diesem Land geschieht. Wir alle sind täglich Schöpfer und Gestalter dieses Landes.
Herzlich Ihr