Das Spiegel-Gedicht

Spieglein, Spieglein an der Wand,
wo sind die Schuldigen in meinem Land?
Ärgern ohne Rast und Ruh,
ich jedesmal auf's Neue tu.
Meine Nachbarn sind der Graus,
kein Frieden find, in meinem Haus.
Banken, Staat und auch die Reichen,
suchen doch nur Ihresgleichen.
Schuld sind doch nur die da oben,
man könnt ich heut wieder toben.
Auch die Krankheit, die ich hab,
täglich ich mich daran lab.
Ein Schuldiger ist gleich gefunden,
der böse Gott, der hat's erfunden.
Und immer wieder frag ich mich aufs Neu
und dies ganz ohne Scham und Scheu.
Was hat das denn mit mir zu tun?
Ich laß das jetzt auf sich beruhn.
Auf die Idee, mich selbst zu fragen,
was will der Spiegel mir denn sagen,
komm ich beim besten Willen nicht,
denn Verantwortung, ja, die will ich nicht.
Mein Klage-Lied, das sing ich täglich,
denn Schuld daran, sind die andern nämlich.
Die Schuldigen, ich werd sie finden
und umso mehr, noch an mich binden.
Und wenn ich seh, mein dreckig Gsicht
dann sag ich halt: Das bin ich nicht.

Dein Spiegelbild beginnst zu putzen,
dies wird dir jedoch gar nichts nutzen.
Schließ die Augen, geh nach Innen,
die Antwort liegt in dir da drinnen.

Und die Moral von dem Gedicht,
den Spiegel putzen, das geht nicht.
Es bleibt bestehn, dein dreckig Gsicht.

Patrick Ellinger