Ich schätze, dass ca. die Hälfte aller Angestellten heute mit einem inneren „Nein“ an ihren Arbeitsplatz geht oder nur aus dem Motiv, ein Gehalt zu bekommen. Zu ihrer Arbeit sowie zu ihrer Firma haben sie oft eine negative Einstellung und reden entsprechend über sie. Das Klima in vielen Firmen hat sich in den letzten zehn, zwanzig Jahren drastisch verschlechtert. Firmenfusionen, häufige Umstrukturierungen, erhöhter Leistungsdruck, menschlich inkompetente Führungskräfte und anderes haben das Betriebsklima im Betrieb erkalten und den Angstpegel hochschnellen lassen. Burnout, Mobbing und Depression haben Hochkonjunktur. Von einer „Firmen-Kultur“ kann oft keine Rede mehr sein. Keine Frage: in vielen Mitarbeitern brodelt und kocht es vor Unzufriedenheit oder Wut und viele haben resigniert. Und auf den oberen Etagen herrscht Ratlosigkeit.
Aber ‚die da oben’ tragen nicht allein die Verantwortung für diese Situation. Jeder Mitarbeiter darf sich fragen, welche Energie er am Morgen in eine Firma hinein trägt. Wer ohne Liebe und ohne Freude arbeitet, trägt hierfür selbst die Verantwortung und auch für die Art, wie er auf das reagiert, was er in seiner Abteilung bzw. seiner Firma vorfindet. Die Führung einer Firma wütend anzuklagen, ist ein „Opferspiel“, bei dem die eigene Verantwortung geleugnet wird. Erst diese Haltung ist es, die in den Betroffenen das Gefühl von Ohnmacht und Wut erzeugt und verstärkt. Und mit dieser Haltung lässt sich auf Dauer kein Arbeitsplatz halten. Solche Menschen wirken auf das Energiesystem einer Firma wie Spams auf das Betriebssystem eines Computers.
In dieser Zeit der Transformation werden nicht nur die Firmen durchgeschüttelt, sondern insbesondere ihre Mitarbeiter. Das Leben fragt dich jetzt: ‚Wozu gehst du eigentlich arbeiten? Was ist dein Motiv? Liebst du das, was du tust und tust du diese Arbeit mit Liebe?‘. „Arbeit ist sichtbar gemachte Liebe“, sagt Gibran in seinem ‚Propheten’. Aber wie sollen Menschen, die sich selbst und ihre Mitmenschen nicht lieben, ihre Arbeit lieben? Jeder von uns, ob er an der Basis oder als Führungskraft arbeitet, wird jetzt durch die höher schwingenden Energien körperlich und psychisch spürbar mit den fatalen Auswirkungen seiner seit langem praktizierten Unliebe konfrontiert. Für die Arbeitswelt bedeutet dies: Wer seine negative Einstellung zu seiner Arbeit, seinen Kollegen/innen, seinen Führungskräften und zu seiner Firma nicht in Kürze ändert und bereit ist, Verantwortung zu übernehmen für ein neues Miteinander in einer Gemeinschaft von Menschen, die sich wertschätzen, unterstützen und Freude haben am gemeinsamen Schaffen und Dienen, läuft höchste Gefahr, seinen Arbeitsplatz zu verlieren.
Die Depression hat bereits viele Menschen erreicht, die den Sinn ihres Lebens aus den Augen und damit ihre Lebensfreude verloren haben und nur mit der blinden Masse mitschwimmen. Sie wird in naher Zukunft auch viele Firmen erreichen und ihre Leistungskraft drastisch reduzieren. Der mit sich und mit seiner Arbeit zufriedene Mensch, der sich mit ‚seiner’ Firma identifiziert, ist nach wie vor das Herzstück einer Firma. Und nur die Firmen werden in Zukunft überleben, deren Führungskräfte begreifen, dass die Vitalität und Rentabilität einer Firma nur durch Menschen gesichert wird, die mit liebenden Herzen sich selbst, ihren Mitmenschen und ihrer Firma wertschätzend begegnen und mit Freude arbeiten. Jeder einzelne Mitarbeiter sowie jede Führungskraft darf sich jetzt entscheiden, ob er sein ‚Mein’, d. h. sich selbst und sein Herz wieder liebend einbringen will in die Gemeinschaft der Firmenfamilie oder ob er es vorzieht, ohne Arbeit viel Zeit zu haben, sich wieder auf den Sinn von Leben, Lieben und Arbeiten zu erinnern.
1) Khalil Gibran: Sämtliche Werke (Orig.engl.: Work is love made visible.
/ And if you cannot work with love but only with distaste, it is better
than you should leave your work and sit at the gate of the temple and
take alms of those who work with joy. The Prophet, Pan Books, S. 38 f.),
Düsseldorf: Patmos, 2003, S. 896