Die Menschheit geht auf eine neue Bewusstseinsstufe zu – das sagen mir in den letzten Jahren viele Menschen im Gespräch, das lese ich in vielen aktuellen Büchern, das spüre ich in meinem eigenen  Leben, das liegt „in der Luft“ .

Im Rückblick sehen wir: Wir kommen vom Urbewusstsein der Einheit mit dem Geistigen: „Es hebt meinen Arm, Es denkt in mir“ in der Zeit vor der Geschichte, der prähistorischen Epoche.
Dann der Sprung zum Bewusstsein der sogenannten „Zwitterlichkeit“ zur Zeit des Alten Testamentes und der Mythen, in dem sich das Göttliche vom Menschen trennte und doch immer wieder mischte.
Zuletzt  das große Erwachen des individuellen Denkens und der Logik, die sich in den mediterranen Kulturen, besonders im antiken Griechenland entwickelten. Und mit ihnen das Hervortreten des Ich-Bewusstseins.

Diese geistig-seelischen Entwicklungsschritte der Menschheit finden wir heute noch im Aufwachsen eines jeden Kindes: wie es sich aus dem „Paradies" des Nicht-Getrennt-Seins über das „Märchenalter“, in dem beides gültig ist, Schritt für Schritt zum individuellen Ich aufschwingt.

Und das Neue? Bewegen wir uns heute auf die Stufe der Vereinheitlichung des Urbewusstseins
mit dem freien Denken zu?  Der individuellen Freiheit innerhalb der geistigen Intuition? Meiner Überzeugung nach schürfen die Weltreligionen aus denselben geistigen Urgründen wie die „modernen“ Wege der geistigen Entwicklung. In ihnen wird in den letzten 150 Jahren das „esoterische“ – einem kleinem Kreis zugehörige – Geheimwissen der Religionen immer mehr in die Öffentlichkeit getragen – es wird „exoterisch“. Einer der Wegbereiter dafür war Anfang des 20. Jahrhunderts Rudolf Steiner – der heute immer noch inspiriert.

Seit der Jahrtausendwende zeigt sich die neue Entwicklung immens verstärkt in der Öffentlichkeit, „esoterische“ Bücher, wie Tolles „Jetzt“ (1997) oder  Byrnes „The secret“ (2006) erreichen ungeahnte Auflagenhöhen. Vermehrt treten charismatische Redner auf, die Säle und Hallen füllen. Gleichzeitig erleben wir eine Zeit, in der die geistigen Kräfte sich deutlich gegen die Verlockungen des Konsums und die Zerstreuung durch Massenmedien durchzusetzen haben. Wenn ein solcher Schritt ansteht, brauchen wir die „Zauberkraft Phantasie“. Sie schafft im Wahrnehmen, im Erinnern, im Vorstellen und Planen jene inneren Bilder, die unser Bewusstsein erfüllen. Der Förderung dieser Zauberkraft habe ich mich seit 1989 mit der Zeitschrift „Vorhang Auf“ verschrieben – und viele andere schreiben und malen mit.

In „Vorhang Auf“ nehmen wir viele Impulse der Waldorfpädagogik auf. Auch wir wollen der geistigen Individualität im Kind zur eigenen Entwicklung verhelfen. Wir wollen unsere kindlichen Leser darin unterstützen, Hindernisse in ihrer Entwicklung aus dem Weg zu räumen und ihnen die Chance der Freiheit ermöglichen.

Auch Psychologe Robert Betz ist ein besonderer „Phantasieförderer“. Er gehört im deutschsprachigen Raum zu den führenden Protagonisten der „Transformation“. Wir trafen ihn zu einem Gespräch über unser Jubiläumsthema in einem Gartenlokal im schönen Kempten – der lockere Gesprächscharakter  wurde im folgenden Text beibehalten.

Eckehard Waldow: Das Thema unseres Jubiläumsheftes heißt „ Ein Traum wird wahr“. Es geht darin um die Lebensträume und die Lebensaufgabe, die der Mensch in sich trägt. Glaubst du, dass jeder Mensch einen Lebenstraum hat?

Robert Betz: Bewusst nicht. Aber wahrscheinlich so etwas wie eine sich oben vorgenommene Aufgabe. Was man dann als Traum deuten könnte, wenn einer sagt: „Ja, da kommt eine Intuition“ und, dass er sich dieser Aufgabe, die er sich vorgenommen hat, öffnen kann.
Ich gehe davon aus, wenn einer sagt: „Da zieht es mich hin“, oder wenn es einen immer in dasselbe Land zieht oder zu einem Musikinstrument oder Komponisten oder er sich von Irgendwas angezogen fühlt, dass er das Stück für Stück zu sich zieht. Es gibt wenige Leute, denen mit 20 klar ist, was ihr Lebenstraum ist. Ich habe auch keine Ahnung davon gehabt mit 20 oder 30, was ich heute mache. Und dieses Sich-Entfalten lassen,  dass man sich führen lässt, das ist für mich wichtig.
Ich sage immer, lass dich von deinem Herzen führen, dein Herz weiß es genau, hat einen Plan; einen Plan der Möglichkeiten; nicht fixiert: du musst dann und dann da sein usw. Lass Dich führen, das halte ich für das beste Mittel im Gegensatz zum „Ziele setzen“, was ja fast alle noch propagieren. Ziele kommen aus dem Kopf  - und das Andere ist einfach eine Information des Herzens. Gehe einfach mal davon aus - das ist ja noch eine These für die Leute, die es nicht glauben - dass dein Herz die Informationen hat, dich in deine Lebenstraumerfüllung zu führen, in allen Bereichen, auch privat.

EW: Vieles verdecken wir ja oder lassen es uns verdecken oder es wird uns verdeckt durch unsere Sozialisation.

RB: Ja, der Traum wird oft ein Bisschen abgelenkt, für ein paar Jährchen, für Umwege, aber auch die müssen Sinn machen.
Wenn ich heute die Begrenzungen aus der Zeit sehe, in der wir aufgewachsen  sind... sie gehören zum Spiel dazu, damit man sich nachher herausschälen kann. Ich glaube, dass die Seele eine sehr starke Zugkraft hat, die einen dorthin zieht, wo man ursprünglich hin will.

EW: Das setzt sich letztlich durch, auch wenn man Umwege macht. Wenn wir wissen, dass es diesen Traum gibt, dann suchen wir ihn und öffnen uns dafür.

RB: Das mit dem Suchen würde ich nicht machen, denn es gibt immer wieder Informationen aus der geistigen Welt: „Suche nicht“. Wenn du zum Beispiel eine Information kriegst, wie: „Da kommt eine Frau zu mir irgendwann“, ohne Zeitangabe, dann suche das nicht, sonst störst du den Prozess. Vieles kommt einfach auf einen zu, und wenn du anfängst zu suchen gehst du in den Kopf, machst Druck, und dann dauert es länger.

EW: Also nicht suchen sondern finden?

RB: Finden lassen. Finden  heißt, ich lasse es offen, ich vertraue und wenn ich eine Information bekomme, freue ich mich schon mal und in der Zeit genieße ich das Hier und Jetzt. Man geht seinen Weg, macht was alles Spaß bringt. Das ist eine Frage des Vertrauens, dass da eine Führung ist, eine Führung des Herzens, des Lebens, dass es dich automatisch dahinführt. Ab dem Zeitpunkt wo du sagst, „Da habe ich einen Traum“, oder ich spüre, da zieht es mich hin, oder wenn du die Entscheidung fällst: „Ich will ein glückliches Leben führen“, dann sagen die Engel: „Da komme ich dich unterstützen“. Oder wenn du sagst: „Ich will den Weg meines Herzens gehen“.
Also die bewusste Entscheidung, die halte ich für sehr wichtig. Dass man Kindern zum Beispiel immer sagt: „Geh nach deinem Herzen“.
Ich sage gerne provokativ: Sag deinem Kind: „Geh nach deinem Herzen, und nicht nach uns!“
In dir ist eine Weisheit, in dir ist eine Führung. Das Kriterium ist: Was Spaß macht, was Freude macht, was sich stimmig anfühlt, was mit Freude verbunden ist - das ist der nächste Schritt.

Wobei es bei Kindern und Jugendlichen sehr wichtig ist, ihnen das Recht zuzugestehen, alles Mögliche auszuprobieren. Ich bekam von meinem Vater immer vorgeworfen: „Du machst doch nichts zu Ende.“ Man fühlt sich als Kind dadurch schlecht. Aber man hat das Privileg auszuprobieren und es auch wieder sein zu lassen. Man kann doch von einem Zehnjährigen, einem Zwölfjährigen, einem Fünfzehnjährigen nicht erwarten: „Geh stringent deinen Weg.“
So wie man bei manchen Tennisspielern sagt: „Du fängst mit sechs Jahren an zu trainieren, dann bist du mit Achtzehn Wimbledon Sieger.“ Das ist Domestizierung.
Man kann als Jugendlicher alles ausprobieren, und heute gibt es viel mehr junge Leute, die sehr viel früher spüren,  wo es hingeht. Wir kriegen deutlich neue Kinder, viel selbstbewusstere Kinder, die so selbstbewusst sind, dass sie zum Teil von der Schule verbannt werden weil viele Lehrer ohnmächtig sind,  damit umzugehen, wenn ein Schüler in aller Ruhe sagt: „Mache ich nicht.“ … Lehrer sind meistens pädagogisch nicht auf die neuen Kinder vorbereitet.

EW: Es gibt viele Beispiele von Kindern,  die sehr früh wissen, was ihre Lebensaufgabe ist, zum Beispiel ein junges Mädchen, das sehr früh wusste, dass sie Schauspielerin werden will. Der Weg dahin ist aber schwer. Wenn man sich heute an einer Schauspielschule bewirbt, werden von 1000 Bewerbern acht Schauspielschüler aufgenommen. Das heißt, man wird an mehreren Schulen abgelehnt. Da ist es ganz natürlich, dass man beginnt, an sich zu zweifeln. Wenn man dann aber weitermacht und zum Schluss vielleicht bei der sechsten Prüfung aufgenommen wird, ist das schon ein Zeichen, dass man auf seinem Weg ist. Wenn sich dann, wie in einem mir bekannten Fall, nach der Ablehnung an mehreren Schulen herausstellt, dass die letzte Schule, die die Schülerin genommen hat, im Grunde genommen die Beste ist, dann drückt sich darin auch etwas aus.
Schauen wir noch einmal auf die Kinder, die ihren Lebenstraum träumen, traumhaft spüren, die ihn  jedoch zunächst nicht erkennen können. Sie sind negativ geprägt durch ihre Sozialisation, Eltern, Schule, Kulturumgebung. Es macht einen wichtigen Teil deiner Vorträge aus,  dieses aufzuzeigen und Wege da hinaus zu empfehlen. Wie können wir als Eltern  und Lehrer deiner Ansicht nach am besten verhindern, dass wir unsere Kinder negativ prägen?

RB: Das hängt davon ab, ob der Erwachsene bereit ist – Vater oder Mutter, oder beide – selber hinter die eigene Kulisse zu schauen, sein eigenes Thema „Vater und Mutter meiner Kindheit“ selber aufzuarbeiten, und in seine eigene Kindheit noch einmal hinzugehen, noch einmal hinzugucken. Ich empfehle da meine Rückführungsmeditationen auf CD. Ich denke, wenn Eltern das nicht selbst in ihrem „inneren kleinen Kind“ erlebt haben, können sie auch nicht verstehen, was in ihrem Kind vor sich geht. Wenn Vater oder Mutter verstehen, dass sie in sich selbst ein altes kleines Kind haben, ist es natürlich sehr viel leichter im Äußeren zu verstehen, was im Kind vor sich geht. Und dann gut hinsehen, was die eigenen Themen sind. So projiziert man seine eigenen Kindheitstraumata und Begrenzungen nicht auf das Kind. Wenn noch das Opferbewusstsein des Erwachsenen da ist, zusammen mit den Gefühlen gegenüber den eigenen Eltern, dann will man das nicht auch so machen. Dann will man seinem Kind etwas besonders Gutes tun, aber gerade das geht aus diesem Bewusstsein heraus dann oft daneben, weil man das Kind dann schon wieder als potenzielles Opfer seiner Selbst sieht und sich sagt: „Ich muss jetzt aufpassen, ich darf keinen Fehler machen. Ich habe ein schlechtes Gewissen, ich habe Ängste“, und das lässt einen natürlich nicht sehr natürlich sein. Aber je klarer, je gesettelter einer mit sich selbst, mit seinen eigenen Eltern ist, desto besser ist der Vater, desto besser ist die Mutter. Der/die kann dann sein Kind als Persönlichkeit sein lassen und  sich sagen: „Ah, er/sie ist ja anders“, eben nicht  mit dem Ziel: „Ah, das ist ja ganz meine Tochter, ganz mein Sohn.“ Die Erwartungen sollte man zurücknehmen. Die Erwartungen, Wünsche und Forderungen sind die größten Handicaps, die man sich aber transparent machen und zurücknehmen kann. Es gibt wahrscheinlich keine Eltern, die keine Erwartungen haben, denn alle meinen es ja gut. „Du sollst es einmal gut haben.“ Selbst Väter und Mütter, die ihre Kinder schlagen, denken unbewusst „Ich will, dass er ein guter Mensch wird“, so pervers das auch klingt.
Das Zurücknehmen der eigenen Erwartungen setzt voraus, dass ich meine Geschichte zumindest anschaue. Dann kann ich die eigene Persönlichkeit des Kindes wahrnehmen und sagen: „Ist ja toll!“ Und dann muss ich es nicht persönlich nehmen, wenn das Kind wütend ist.
Dass man es nicht persönlich nimmt, ist ein wichtiger Punkt. Wenn deine Liebe so weit geht, dass deine Tochter dich verurteilen kann, wenn deine Tochter stinkig auf dich sein kann und du trotzdem in der Liebe bleibst…

EW: Ja, es macht Freude selbst zu erleben, wenn man so etwas kann. Das ist es auch, was wir in der Waldorfpädagogik machen, sehr genau zu wissen, dass alle Erziehung erst einmal Selbsterziehung ist. Was ich in mir verändere, wirkt auf die Kinder. Wenn ich mich als Lehrer einem „schwierigen“ Kind Abends in meiner Meditation zuwende, sind Probleme, die ich mit diesem Kind hatte am nächsten Morgen oft wie durch Zauber verschwunden.

RB: Vor der Vermittlung von irgendetwas halte ich es für Eltern und Lehrer für am Wichtigsten, dass sie sich dafür entscheiden, ein glücklicher Mensch sein zu wollen. Wenn sie das ausstrahlen, ist das die Haupterziehungsleistung. Nicht- -glückliche Eltern können ihre Kinder nicht glücklicher machen als sie selbst sind. Ich frage in meinen Vorträgen jeden Abend, wer eine glückliche Mutter, wer einen glücklichen Vater gehabt hat,  und es ist durch die Bank von Hamburg bis München und Zürich dasselbe: maximal ein Prozent. Daraus kann man einiges schließen. Wenn du unglückliche Eltern hattest, ergibt sich daraus entweder Mitleid oder Verachtung, in jedem Fall aber der Entschluss „So will ich nicht sein, denn was sollen meine Kinder anfangen mit einer leidenden Mutter?“ Siebzig bis achtzig Prozent aller Frauen sagen sich: „Ich will nicht so sein.“ Und damit beeinflussen sie unbewusst ihren Lebenslauf, und das nicht unbedingt sehr günstig, denn was ich ablehne, in diesem Fall das Schwachsein, das ziehe ich gerade an, weil ich meine Energie darauf richte. 

EW: Dass wir als Eltern, als Menschen überhaupt glücklich sein „dürfen“, uns das zuzugestehen, ist ja relativ neu, das spricht sich in den letzten zwanzig Jahren immer mehr herum. Vorher war es eigentlich etwas Negatives, dass ich mich liebe, dass ich glücklich sein darf, während andere unglücklich sind usw. Das haben die Kirche und unsere Kultur als „Egoismus“ stark abgelehnt.

RB: Ja. Eine große Rolle spielt auch die Lebensweise unserer Ahnen. Wir hatten viele hundert Jahre lang nicht-glückliche Ahnen. Die, die vertrieben worden sind, die, bei denen die Bomben gefallen sind, diese Zeiten waren ja wirklich kein Zuckerschlecken, und das sitzt uns mit in den Knochen, aber du hast Recht, dieses Ansprucherheben, glücklich zu sein,  ist wirklich jung.

EW: Wer für seine Lebensanschauung den Reinkarnationsgedanken akzeptiert,  kann auch das in früheren Inkarnationen Gelernte und Gefühlte in sein heutiges Leben mit einbeziehen. Eine christliche Inkarnation im europäischen Mittelalter zum Beispiel impliziert Ablehnung von Sexualität,  Selbstgeißelung, Ablehnung von Wohlstand und vieles mehr, denn die ursprünglichen Gründe solcher Maßnahmen waren in dieser Zeit meist gar nicht mehr wirksam.

RB: Ja, die vielen Gelübte, die wir abgelegt haben, Keuschheitsgelübte, Armutsgelübte, das alles sind Wirkungen der letzten Inkarnationen. Aber vordergründiger für unsere Bevölkerung sehe ich das Thema der Ahnenproblematik. Da muss ich nicht von meinen Inkarnationen ausgehen, sondern ich sage einfach,  jeder hat Familiensysteme, Ahnensysteme und alles was die Frauen und Männer vor dir erlebt haben, sitzt dir in der Wäsche. Vor einiger Zeit war in der Tagespresse zu lesen, dass man jetzt in der DNA von Urenkeln traumatische Erlebnisse des Urgroßvaters nachweisen kann. Ich beziehe in meine Vorträge mit ein, dass wir die Ahnen einladen, sich hinter uns zu stellen. Wir sind in unserer feinstofflichen Struktur mit unserer Ahnengeschichte verbunden, und wenn wir das jetzt lösen können, ist das schön.
Ich bin davon überzeugt, dass auch die Ahnen davon profitieren. Viele Ahnen sind ja auch immer wieder ausgegrenzt worden. Heute sind das sogenannte „Randgruppen“. Die fühlen sich einfach nicht im Kreis der Liebe, und diese Ausgegrenzten hängen praktisch als Störer im Familiensystem drinnen. Einer der Enkel oder Urenkel kann das Thema aufgreifen und für die Familie lösen.
Oder das Beispiel Flüchtlingsfamilien. Da gibt es dritte, vierte Generationen, die immer noch flüchten, weil sie in ihrer Kindheit gehört haben: „Wir gehören hier nicht her, wir sind Flüchtlinge.“ Das geht dann ins Bewusstsein des Kindes,  und wenn das über Generationen gemacht wird, geht das ins Physische über. Das gilt auch für andere traumatische Erlebnisse. Es gibt immer wieder Fälle, da ist zum Beispiel der Mann im Alter von 42 Jahren gestorben, sein Sohn auch, dessen Sohn auch. Da muss jemand aussteigen. Wir können diese Ketten jetzt wirklich durchbrechen und damit die Ahnen miterlösen. Das ist wirklich toll, wenn das bekannt wird, und die Ahnen klatschen Beifall. In den nächsten Jahren wird es immer bekannter werden, dass die Ahnen leben, auch wenn die Mediziner das noch nicht akzeptieren. Aber ein Viertel versteht das schon und sieht und fühlt das.

EW: Unser Verlag nennt sicht gerne „Verlag zur Förderung der Phantasie“, jener bildschaffenden Kraft in uns, die viele Lebensbereiche bedingt.
Was verstehst du unter Phantasie und welche Rolle spielt sie in deiner Arbeit?

RB: Der Phantasiebegriff wird oft etwas anders verstanden, als ich ihn sehe. Oft wird gesagt „Streng deine Phantasie mal an“, damit Bilder kommen, Vorstellungen also. „Mache dir mal eine Vorstellung von einem See“. Ich sage in einer geführten Meditation zum Beispiel „Ich zähle bis drei und dann kommt ein See.“ Da denkt sich der eine: „Ich muss mir jetzt einen See vorstellen.“ Ich sage lieber: „Du musst dir nichts vorstellen, sondern warte, welches Bild kommt, wie beim Beginn eines Films. Warte, welches Bild kommt.“ Phantasie ist für mich so etwas wie eine Medialität, eine Form von Angebundensein. Ich warte, dass da etwas kommt, also ohne Anstrengung kommen lassen.
Wenn ich auf der Bühne stehe bei einem Vortrag und ich sage mir „Jetzt will ich mir vorstellen, was ich gleich sage“, dann habe ich eine Barriere dazwischen, das wäre ein sehr großer Störer. Was mir wichtig ist in meiner Arbeit, ist ein Angebundensein. Ich lasse mich führen, ich begebe mich ganz in den Prozess. Das habe ich früher nicht gemacht, da habe ich mir meine Vorträge vorgeschrieben. Zwanzig Seiten getippt, dann hatte ich das Manuskript dabei, dann habe ich immer wieder darauf geguckt und wenn ich mir sicher war, das Manuskript verlassen und hatte auf der nächsten Seite wieder einen Neubeginn, also immer einen roten Faden. Das habe ich lange gemacht, ohne den Ehrgeiz, das Manuskript wegzulegen.Eines Tages habe ich dann gemerkt: „So, ich kann es weglassen.“ Das war so nach 5 bis 6 Jahren. Der Unterschied zu damals ist, heute habe ich das Vertrauen. Heute nehme ich mir ein Thema und dann spreche ich drei Stunden darüber, frei. Wenn dein Inneres, wenn dein Herz sich damit verbindet, dann bekommst du über einen Kanal Impulse. Wenn es mal stockt, machst du eine Pause, guckst kurz nach Oben, und in dieser Zehntelsekunde geht es weiter, wird etwas nachgeschoben.

Kinder haben ja Phantasie ohne Ende. Die Frage ist, welches Umfeld müssen wir schaffen, damit sie Zugang dazu haben. Dazu gehört wichtig das Hinausgehen in die Natur, am Besten ein freies Durch-die-Natur-Streifen. Ich würde mit Kindern auch mal in einen Freizeitpark fahren, das gehört auch dazu, aber ich würde das genauso wie Film und Fernsehen aus Liebe zu den Kindern strikt begrenzen. Da würde ich sehr bestimmt Grenzen aus Liebe setzen, da können die Kinder protestieren wie sie wollen. Ich weiß, das tut ihnen nicht gut und darum setze ich aus Liebe diese Grenzen.
 
Ich kann natürlich immer nur aus subjektiver Empfindung Normen setzen, ich kann Kinder mit Büchern versorgen oder selber mit ihnen mal ins Kino gehen, das ist ganz wichtig. Viele Eltern sagen: „Mein Sohn sitzt vier Stunden am Computer.“ Und dann frage ich sie: „Wo sitzen Sie?“ - „Vorm Fernseher.“ Wenn die Eltern kein Angebot machen, dann sollen sie nicht klagen.
Auch bei hyperaktiven Kindern ist das so, wenn sie Ritalin kriegen, die sind unterfordert, die wollen gefordert werden. Und dazu haben viele Mütter und Väter keine Lust, selbst aktiv zu werden. Aus vielen Gesprächen mit geschiedenen Vätern weiß ich, dass Kinder geschiedener Eltern vom Vater durch die Bank mehr haben als sie vorher hatten, als die Eltern zusammen waren. Wenn die Kinder alle zwei Wochen beim Papa sind, dann muss der Papa sich was einfallen lassen an dem Wochenende, und dann haben sie den Papa das ganze Wochen­ende. Das haben ganz Viele berichtet, das ist einfach ganz toll, soviel Papa hatten wir noch nie.
Das ist ein ganz witziges Ergebnis, aber auf der anderen Seite ist es natürlich genauso wichtig, auf die Belastung der Kinder zu schauen, wenn die Beziehung zwischen Vater und Mutter nach der Trennung noch nicht geklärt ist. Wenn Spannungen da sind, übernimmt das Kind die Spannungen von dem Elternteil bei dem es lebt - und sogar Krankheiten. Und wenn ein Kind sich einen Knochen bricht, dann ist es in der Regel so, dass es vorher einen Bruch auf einer geistigen Ebene gegeben hat, und in vielen Fällen war das der Bruch zwischen Vater und Mutter. Das Kind ist das schwächste Glied in dieser Kette. Wenn Vater und Mutter sich streiten, versucht das Kind sie zusammenzuhalten. Dieses dem Energiefeld der Eltern Ausgeliefertsein, davon kann man das Kind wohl nicht entbinden.

EW: Nein, aber man kann, sobald einem das bewusst wird, das Energiefeld ändern. In der Regel reicht es schon, wenn einer der beiden Eltern bewusst ist. 

RB: Ja, im Sinne von Vertrauen schaffen, das Kind mit einbeziehen und sagen: „Das ist unsere Sache, aber wir beide lieben dich, etc.“ Am besten ist auch da wieder die Meditation, die Verstrickung durchschneiden in der Meditation und sich auf Seelenebene mit dem Kind verbinden und ihm da sagen: „Ich bleibe bei dir, egal was passiert. Hab Vertrauen in mich.“ Das kommt dann direkt auf der Seelenebene bei dem Kind an. Das sind Möglichkeiten, und wenn die bekannter werden, dann werden das Viele machen.

EW: Wichtig ist unser Vertrauen in die Kräfte der Seele, in die Phantasiekräfte, in die Intuitionen. Wenn wir Erwachsenen den Mut haben, dazu zu stehen, können wir darin eine Selbstverständlichkeit an unsere Kinder weitergeben, statt die Kinder durch unsere Ängste oder Zweifel in der eigenen Entwicklung zu behindern.

RB: Eine mediale Freundin von mir hat bereits als kleines Kind geistige Wesen gesehen, lief zu ihrer Mutter und rief: „Mama, Mama, da ist ein Mann in meinem Zimmer!“ Sie hatte das Glück, das ihre Mutter sagte: „Dann frage ihn, was er will.“ Das war der Beginn ihrer Medialität. Andere Eltern sagen: „Ach, Unsinn, da ist nichts.“ Das ist der Grund, warum viele Kinder im Alter von 3-5 Jahren ihre Medialität verlieren. Wir sind von Haus aus medial, und diese Hochsensibilität kann man fördern, kann man trainieren.
Wir werden uns in Zukunft alle erinnern, wir bekommen jetzt, in diesem Zeitalter, alle unsere Medialität zurück. Und darum sollten wir unseren Kindern Mut machen, dem was sie sehen zu trauen, ihrer inneren Stimme zu trauen und ihnen eine Anleitung zu geben, wie sie damit umgehen können.

EW: Ich habe vor 25 Jahren in Heft 1 von „Vorhang Auf!“ die folgende Geschichte erzählt, sozusagen programmatisch für unsere Ziele: Die siebenjährige Anna begegnet auf dem Weg zur Schule einem Löwen, der an ihr vorbeistreift und sogar ihre Jacke berührt. Aufgeregt erzählt sie es ihrer Lehrerin, die ihr vorhält, sie übertreibe wieder einmal maßlos und hätte wahrscheinlich nur einen Hund gesehen. Als Anna begeistert weiterhin den Löwen schildert, wird die Lehrerin zornig, wirft ihr vor zu lügen und beauftragt sie, am Abend den lieben Gott für diese Lüge um Verzeihung zu bitten. Am nächsten Morgen stellt die Lehrerin die fröhlich hereinspringende Anna sofort zur Rede: „Nun? Hast du mit dem lieben Gott gesprochen?“ - „Ja, Frau Schlomp!“ - „Und?“  - „Ich habe es ihm genau erzählt. Und er war auch der Meinung, dass es ein Löwe war!“

RB: Da hatte Anna Gott als Partner. Ganz süß. - Ja, ich glaube, dass Kinder durch eine solche Zeitschrift sehr gestärkt werden können in ihrem Fühlen, gerade wenn sie gesagt bekommen, das hast du dir nur eingebildet, das sind Märchen, das ist nur Phantasie... Es gibt eben verschiedene Ebenen der Wahrheit und der Wahrnehmung.

Das dürfen wir als Erwachsene wieder lernen. dass wir nach Innen gehen und dort wahrnehmen. Dazu mache ich in meinen Vorträgen Übungen. Und wenn ein Drittel, die Hälfte der Teilnehmer das Feinstoffliche, das Ätherische, den Energiekörper oder wie man es nennen will, wirklich wahrnimmt, ist es leichter diese Ebenen zu akzeptieren.
Für Kinder ist das einfach; frag mal ein Dreijähriges: „Hast du schon einmal einen Engel gesehen?“ Da antwortet das Kind: „Ja, du etwa nicht?“ - Oder im Wald bei den Elfen... Kinder können das sehen! Sie sind noch offen, medial.
Und das in einer Zeitschrift zu fördern, ist wichtig. Das fühlen die Kinder: „Da sagt endlich mal einer das, was ich sowieso die ganze Zeit sehe. Da nimmt mich einer ernst.“

EW: Robert, ich danke dir für dieses spannende Gespräch!

Erschienen in VORHANG AUF, Heft 100, Sommer 2014