Zwanghaftes Entspannen während der arbeitsfreien Zeit führt nicht automatisch zu besserem Wohlbefinden. Im Gegenteil: Wer seine Arbeit verteufelt, der fühlt sich abends nur noch schlechter. Doch dagegen kann man etwas tun.
Die 'Stress- und Zufriedenheits-Studien' der letzten Jahre berichten ein ums andere Mal, dass sich sowohl psychische als auch physische Befindlichkeit der Menschen stetig verschlechtert. Die Betroffenen erhalten immer wieder den Rat, sie sollen für eine Balance zwischen der Arbeit, also "Work", und der Freizeit, also "Life", herstellen. Das heißt, sie sollen sich in der freien Zeit bestmöglich von der stressigen Arbeitszeit regenerieren. Das klingt vordergründig logisch, führt letztendlich jedoch zu noch mehr Stress und Erschöpfung der Betroffenen.
Arbeitszeit gilt als unfrei
Wer zwischen "Arbeit" hier und "Freizeit" dort oder zwischen "Work" und "Life" trennt, der fördert die ohnehin schon weit verbreitete Einstellung, am Arbeitsplatz sei der Mensch unfrei und das eigentliche Leben spiele sich nun mal in der arbeitsfreien Zeit ab. Das wären dann laut einer Freizeitstudie im Schnitt drei Stunden und 49 Minuten Leben pro Tag. Diese Abwertung der Arbeit und der Zeit, die wir in ihr verbringen, verstärkt das weitverbreitete "Opferbewusstsein". Gemeint ist die Einstellung, im Beruf seien wir keine freien Menschen und niemand würde freiwillig arbeiten, wenn er nur genug Geld hätte, außer vielleicht ein paar freischaffenden Künstlern. "Opferbewusstsein" bedeutet, dass der Mensch schon geistig seine Entscheidungsmacht beziehungsweise seine Schöpfer- und Gestaltungskraft abgibt mit dem Gedanken: "Ich habe ja keine Wahl. Ich muss arbeiten gehen". Letzter Gedanke ist so verrückt wie das Bild eines Vogels, der morgens früh auf einem Ast sitzt und sagt: "Mist, heute muss ich schon wieder singen."
Unser Körper reagiert auf unsere Gedanken
An unserem Arbeitsplatz verbringen wir die meiste Zeit unseres Lebens, mehr als mit unserem Partner oder in der Familie, mehr als im Bett. Diese Zeit als "schlecht" oder unfrei, gar als "Nicht-Lebenszeit" zu deklarieren, ist ein wesentlicher Grund, warum sich immer mehr Menschen am Abend erschöpft und kaputt fühlen, nachdem sie acht und mehr Stunden (mit Hin- und Rückfahrt oft zehn Stunden) mit und für die Arbeit verlebt haben. Unsere Psyche wie unser Körper reagieren auf die Qualität unserer Gedanken. Und so führt die negative Einstellung zur Arbeit zum Gefühl der Sinnlosigkeit und Sinnleere. Und in der "Freizeit" versucht der Mensch, dieses selbst erzeugte Gefühl der Unzufriedenheit zu kompensieren, damit er am nächsten Tag diese Arbeit, den Chef, die Kollegen und Kunden wieder einigermaßen ertragen kann. Aber in der Realität versucht er, sich von seinen negativen Gefühlen und seinem selbsterzeugten Frust am Abend abzulenken, wie die BAT-Studie bestätigt, durch Fernsehen, Computer, Shoppen, Partys und Alkohol.
Menschen wollen etwas bewegen
Ich behaupte, der Mensch hat ein natürliches Bedürfnis nach Arbeit. Er will etwas tun, etwas bewegen und damit seinem Leben einen Sinn geben. Und er will zu einer Gemeinschaft von Menschen gehören, mit denen er gemeinsam etwas schafft. Das gibt ihm eine innere Befriedigung und damit Zufriedenheit. Der Mensch ist kein Monaden- oder Einzelwesen, sondern ein soziales, ein Gemeinschaftswesen. Arbeitszeit ist Lebenszeit und ist nicht als Leidenszeit gedacht. Es scheint so, als lehnten viele, die Arbeit haben, sie ab, und die meisten, die keine haben, wünschen sich einen Arbeitsplatz.
Natürlich werden eine Menge Gründe dafür angeführt, dass man seine Arbeit nicht mögen, schon gar nicht lieben könne. Hier der inkompetente Chef, dort das miese Klima unter den Mitarbeitern. Aber die Qualität des Unternehmensklimas wird nicht allein von oben geprägt. Es sind die Mitarbeiter und Führenden gleichermaßen, die für das Klima einer Abteilung oder eines Teams und für die eigene Befindlichkeit verantwortlich sind. Hierbei ist nicht entscheidend, welche Arbeit ich verrichte, sondern die Frage, wie ich sie mache, mit welcher Einstellung zur Arbeit, zu mir selbst und zu Mitarbeitern wie Vorgesetzten ich an meinen Arbeitsplatz gehe.
Unterdrückte Gefühle stiften Unordnung
Das Unternehmensklima bestimmt vor allen auch das Innenklima aller Mitarbeiter, die morgens an ihren Arbeitsplatz kommen. Diese tragen in den letzten Jahren jedoch immer mehr ungelöste, private Konflikte und ihre eigene innere Unzufriedenheit mit sich und ihrem Leben an den Arbeitsplatz. Wer mit einer negativen Einstellung zur Arbeit und einer Menge unterdrückter Gefühle wie Angst, Wut, Enttäuschung, Neid, Eifersucht und Minderwertigkeit in eine Firmengemeinschaft kommt, gleichzeitig die Arbeit abwertet und ein geringes Selbstwertgefühl mitbringt, der stiftet in seinem betrieblichen wie privaten Umfeld immer eine Menge Unordnung und Unfrieden. Aber in der Wahrnehmung verdreht er Ursache und Wirkung. Er führt das unangenehme Klima an seinem Arbeitsplatz als Ursache seiner Unzufriedenheit an. Ein Manager eines deutschen Automobilkonzerns kommentierte das vor einiger Zeit mit dem Satz: "Ehrlich, wir wundern uns selbst, dass da am Ende noch Autos rauskommen, bei dem, was in der Belegschaft los ist."