Wir Männer sind in den letzten paar Tausend Jahren viele interessante Wege gegangen. Wir haben vieles aufgebaut und vieles wieder zerstört. Wir haben gearbeitet, geschuftet, unsere Pflichten erfüllt. Wir haben durchgehalten und sind an gebrochenen Herzen gestorben, wir haben Bäume gepflanzt und Felder bestellt, Maschinen erfunden und den technischen Fortschritt vorangetrieben. Wir haben Häuser gebaut und Handys erfunden, wir haben Kriege geführt und verloren, wir haben Menschenleben gezeugt und getötet. Wir sind anderen Männern gefolgt und den Erwartungen unserer Mütter und Väter. Wir haben unser Herz verschlossen für Gefühle und sind an ihnen erstickt.
Wir haben Frauen verehrt und auf Händen getragen, wir haben ihre Wünsche erfüllt und nach ihrer Liebe und Anerkennung gelechzt. Aber wir sind nicht satt geworden dabei, weil uns niemand gesagt hat, dass wir uns erst selbst lieben müssen, bevor wir die Liebe anderer wirklich annehmen können. Wir haben uns mit unseren Müttern innerlich verstrickt und mit unseren Partnerinnen die Muster unserer Mutterbeziehung wiederholt. Wir haben versucht, es unseren Frauen recht zu machen, und sind damit gescheitert. Wir haben uns unverstanden gefühlt und konnten unserer inneren Not keine Worte geben. Wir haben uns zurückgezogen und geschwiegen oder sind aggressiv geworden und haben es die Frauen spüren lassen. Wir haben uns arbeitend in Tätigkeiten gestürzt oder in den Sport, haben Erfolge erzielt, aber sie haben uns nicht glücklich gemacht. Wir haben uns nach der Anerkennung unserer Väter gesehnt, die selten da waren oder uns nicht umarmen und loben konnten, weil in ihnen ein kleiner verletzter Junge saß, der dazu nicht in der Lage war, genau wie in uns selbst heute auch.
Auf all diesen Wegen hat der Mann über die Jahrhunderte die Freude und Begeisterung am Mann-Sein verloren. Heute schämen sich viele von uns dafür, dass sie es nach all der Arbeit und Anstrengung in ihrem Leben doch nicht geschafft haben, glücklich zu werden. Es ist ihnen peinlich und sie hadern mit sich selbst und ihrem Leben. Darum steckt in vielen von uns Ohnmacht und Wut, eine Aggression, die wir gegen uns selbst und unseren Körper richten. In vielen Männern hat sich die Trauer zur chronischen Depression ausgewachsen, oft mit „Burnout“ etikettiert, weil es ein bisschen besser klingt, nach dem „Held der Arbeit“. Nachdem wir unser Herz verschlossen und unsere Gefühle verdrängt haben, hat sich das biologische Herz mit Stichen und Rhythmusstörungen gemeldet, aber wir haben nicht darauf gehört. So folgten Rekorde an Infarkten und Bypässen. Die Bandscheiben und Rückenmuskeln meldeten sich, nachdem wir uns chronisch zusammengerissen und verkrampft haben. Und unser männlichstes Stück, der Phallus, ist mit der Zeit mehr und mehr „in die Knie gegangen“ und hat sich gebeugt.
Das Zeitalter des „alten Mannes“ geht in diesen Jahren zu Ende, so wie vieles andere auch. Denn diese Jahre sind Jahre größter Umbrüche und Veränderungen auf allen Gebieten menschlichen Lebens, es sind Jahre der Transformation. Was wird hier transformiert? Es ist das Bewusstsein des Menschen, der Männer wie der Frauen, das jetzt einen großen Sprung macht, so als würde in einem dunklen Haus, in dem wir herumgetapst und -gestolpert sind, plötzlich das Licht angeschaltet. Der Mensch lernt jetzt, die Wirklichkeit zu sehen. Er schaut neu auf sich selbst, auf seine Mitmenschen, auf das Leben und auf diese Erde. Ihm gehen buchstäblich die Lichter auf und sein Herz öffnet sich zugleich für die größte Kraft, von der er bisher nicht wirklich geglaubt hat, dass sie eine Kraft sei: für die Liebe.
Anmerkung:
Dies ist ein Auszug aus der Einleitung des neuen Buches von Robert Betz „So wird der Mann ein Mann“, erschienen im Integral-Verlag, 284 S., 18,99 inkl. Meditations-CD für den Mann (oder als Hörbuch auf 7 CDs, 29,80 Euro, erhältlich über www.robert-betz-shop.de
Artikel entnommen aus der Newsage-Ausgabe 02/2011