Immer öfter hören und lesen wir heute von Menschen, die unter dem sog. „Burn-out-Syndrom“ leiden und es klingt in den Berichten über diese „ausgebrannten“ Menschen oft so, als seien sie das Opfer unserer Gesellschaft und es könne halt jeden erwischen. Ist es wirklich reine Glücksache, wenn man von dieser „Krankheit“ verschont wird? Nein. Diese ist – wie fast alle Krankheiten – vermeidbar, wenn der Mensch wieder begreift, dass er Schöpfer seiner Lebenswirklichkeit ist. Ob wir krank oder gesund durch unser Leben gehen, ist keine Frage des Schicksals, sondern eine Frage von Bewusstheit oder Unbewusstheit und des Wissens um die Grundgesetze des Lebens.
Wenn Körper und Seele eines Menschen in den Generalstreik treten, wenn nichts mehr geht, nachdem vorher fast alles ging, dann nennen wir es oft Burn-out oder Depression. Die Diagnose „Burn-out“ wird in vielen Fällen anstelle von „Depression“ verwendet. Das klingt für die Betroffenen besser, fast schon wie ein Orden für den „Helden der Arbeit“, der rangeklotzt hat, bis es nicht mehr ging. Der „Depressive“ wird schneller geächtet von den Nicht-Betroffenen, der „Burn-out“-Mensch erhalt mehr Achtung, weil er ja so fleißig war.
Wie erschafft es sich der Mensch, dass er oft auf dem Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit in den vierziger oder fünfziger Jahren zusammen bricht und nicht mehr kann, keinen Antrieb mehr verspürt, in Apathie und Schwermut verfällt und seinen Körper zeitweise kaum noch hoch bekommt? Können wir, die anderen, die Nicht-Betroffenen, das verstehen? Ja, das können wir.
Der Mensch ist keine Maschine, sondern ein komplexes Energiewesen, in dem Seele, Geist und Körper miteinander in einer Wechselwirkung stehen und miteinander harmonieren wollen. In diesen Zusammenhang wird heute jedoch weder auf der Schule noch auf der Universität noch im Leben eingeführt. Die Voraussetzungen für einen späteren „Burn-out“ oder eine Depression werden häufig bereits in Kindheit und Jugend gelegt. Denn schon der kleinste Mensch erschafft jeden Tag das, was wir Emotionen oder Gefühle nennen. Hierzu gehören Angst, Wut, Trauer, Ohnmacht, Scham, Schuld und manch andere. Er tut dies ständig durch seine Gedanken wie „Ich bin nicht gut genug“, „Ich bin allein“, „Ich könnte versagen“, „Ich muss es schaffen“ usw.
Denn Kinder erhalten bei uns weit mehr negative und korrigierende Rückmeldungen von Erwachsenen als aufbauende und ermutigende. Die Grundbotschaft, die ein Kind nährt, stärkt und aufbaut, würde heißen: „Schön, dass es dich gibt. Du machst das klasse. Du bist wunderbar. Höre immer auf dein Herz. Probiere alles aus im Leben, sei neugierig. Spiele, solange du Lust am Spielen hast. Träume, denn das Träumen ist etwas sehr Schönes.“ Stattdessen prasseln weit öfter harte Sätze auf das noch kleine Kind nieder wie „Reiss dich zusammen!“, „Stell dich nicht so an!“, „Lass dich nicht so gehen!“, „Träum’ nicht soviel!“, „Lass dich nicht hängen!“, „Tu endlich was!“ usw.
Jedes Kind benötigt lebensnotwendig Aufmerksamkeit, Bestätigung und Liebe. Bekommen Kinder dies nicht, können sie nicht überleben. Darum tut ein Kind alles dafür, dies auf irgendeine Weise zu erhalten. Selbst aus Schlägen zieht ein Kind mehr Energie, als wenn es ignoriert oder mit Schweigen bestraft wird, eine alte Sitte, die bis heute nicht ausgestorben ist. Darum bleibt auch der erwachsene Mensch innen hungrig nach dieser Energie „Aufmerksamkeit und Anerkennung“. Mit diesem Hunger läuft er in die Arbeitswelt und in seine Partnerbeziehungen und versucht, vom anderen etwas zu bekommen, was er sich selbst nicht geben kann.
Neben der Strategie von Anpassung und Gehorsam ist es der Versuch, über Leistung und Höchstleistung diese Nahrung von anderen zu erhalten. Die Sehnsucht nach Bestätigung, Anerkennung und Liebe gehört zu den „alten Schuhen“, die von den meisten Menschen getragen werden. Und viele entscheiden sich in Kindheit oder Jugend, möglichst perfekt zu sein. Das Perfektionsprogramm ist einer der härtesten Wege, auf den ein Mensch sich selbst schicken kann und es endet oft im Burn-out oder in der Depression. Denn das Ziel, perfekt zu sein, erreicht niemand und es ist zutiefst unmenschlich, so etwas zu versuchen.
Der Perfektionist lebt ein extrem einseitiges Innenleben, denn er muss alles aus seinem Bewusstsein ausklammern, was ihm als unperfekt erscheint: jede Form von Schwäche, jedes unangenehme Gefühl wie Angst, Trauer, Scham oder Minderwertigkeit, jedes körperliche Symptom wie z.B. Zittern, Schwindel, Übelkeit, Schlafstörung, Magenschmerzen, Kopfschmerzen oder anderes. Alles, was den Möchtegern-Perfekten stört, muss weggemacht oder unterdrückt werden.
An diesem Punkt bereitet sich das spätere Burn-out-Syndrom oder die Depression vor. Die Signale des Körpers, die immer Botschaften der Seele sind, werden systematisch ignoriert oder mit Pillen bekämpft. Die ihn störenden und chronisch verdrängten Emotionen können seinen feinstofflichen Emotionalkörper nicht verlassen und greifen allmählich auf den physischen Körper über. Der übersäuerte Magen, Atemprobleme, Rückenschmerzen, Verspannungen, Gelenkprobleme, Nieren- oder Gallensteine, Migräne oder Blasenentzündungen sind nur wenige Körpersymptome, die auf lange verdrängte und abgelehnte Emotionen zurückgeführt werden können.
Viele Menschen in unserer Gesellschaft begreifen bis heute eines der Grundgesetze des Lebens nicht, das heißt: Alles strebt nach Ausgleich zwischen den Polaritäten. Eines dieser Gegensatzpaare heißt: Stark sein – schwach sein. Der Mensch, der sich dem Stark-Sein, der Leistung, dem Funktionieren, dem für andere Da-sein verschrieben hat, sagt innerlich: „Ich darf nicht schwach sein und ich will nicht schwach sein!“ Dieses Programm machen Körper und Psyche oft sehr lange mit, signalisieren aber immer wieder durch „störende“ Symptome, dass dies nicht in der Ordnung ist, dass hier im Menschen etwas nicht stimmt.
Wer bei aller Arbeit sich keine Zeit gönnt für Entspannung, Genuss, Erholung und Freude am Leben, der wird vom Leben letztlich in die Waagerechte gezwungen. Der Burn-out-Patient oder der Depressive bricht zusammen und fühlt oft eine unendliche Schwere auf seinem Körper lasten, verbunden mit einer inneren Leere. Vor diesen beiden Symptomen Schwere und Leere ist er meist jahrzehntelang weggelaufen wie auch vor anderen Signalen wie innere Unruhe, Atembeschwerden, Herzstichen, Rücken-,Gelenk- oder Kopfschmerzen.
Das Burn-out-Syndrom betrifft Männer, die schon in der Kindheit gelernt haben, das nur ein „starker Junge“ ein „richtiger“ Junge ist. Und sie wollen „groß und stark“ werden und anderen zeigen, dass sie etwas wert sind. Oft wurde der eigene Vater als „schwach“ wahr genommen und vom kleinen Jungen verachtet, so dass er sich schwor: So, wie mein schwacher (leidender, trinkender) Vater will nicht nie werden. Ich will das Gegenteil werden.
Auch als schwach und leidend wahrgenommene Mütter sind für Frauen oft früh ein Antrieb gewesen, möglichst nie schwach sein zu wollen. Bei Frauen kommt das Idealbild der Frau hinzu, dass sie meist von ihren Müttern übernehmen: zuerst für andere da sein, sich aufopfern, viele Sachen auf einmal tun, sich Sorgen machen usw. Solche Frauen fühlen sich oft dann, wenn die Kinder aus dem Haus gehen, leer und ausgebrannt, weil der unbewusst ersehnte Dank und die Anerkennung oft ausbleiben und das ganze Leben um das Sorgen für andere herum aufgebaut wurde. Sie fühlen sich dann leer wie eine Batterie, haben kaum Selbstachtung für sich und werden von ihren Partner in dieser Phase nicht selten auch noch verlassen.
Wirklich stark ist jedoch nur der Mensch, der auch kein Problem damit hat, sich schwach und verletzlich zu zeigen und der gelernt hat, sich auch mit diesen Seiten anzunehmen und zu lieben. Ja, diese Seiten können sogar als der Prüfstein der Selbstliebe betrachtet werden: Der Mensch, der sich selbst liebt, ist der, der gelernt hat, sich mit seinen Ängsten, seiner Scham und seiner Trauer anzunehmen und diese liebend, bejahend fühlend zu verwandeln. Wer dies für sich selbst lernen will, dem stehen eine Reihe von Vorträgen und Meditationen aus meinem Angebot zur Verfügung (siehe unten).
Unsere Einstellung zur Arbeit trägt ebenso ein gerüttelt Maß zur Entstehung von chronischer Erschöpfung und dem Ausgebrannt-Sein und dem damit verbundenen Gefühl der Sinnlosigkeit und Leere bei. Wir haben verlernt, unsere Arbeit zu lieben und belegen das Arbeiten mit einem druckvollen „Ich muss, ich kann nicht anders!“ Der Mensch hat von Natur aber Lust auf das Arbeiten und darauf, sich mit etwas auseinandersetzen und seinem Leben einen Sinn zu geben. Und wir selbst sind es, die darüber entscheiden, mit welcher Grundeinstellung wir an die Arbeit gehen und ob wir uns selbst, unseren Körper und die Stimme unseres Herzens während des Arbeitens wahrnehmen.
Wenn das Arbeiten zum Selbstzweck und zum alleinigen Lebensinhalt wird, dann verlieren wir den Sinn dafür, wozu wir hier sind auf der Erde. Wir sind da, um unserer inneren Stimme zu folgen und das zu tun, was für uns stimmig ist und was uns Freude macht. Wir sind hier, um in Gemeinschaft Sinnvolles zu tun und zu erschaffen, um unser menschliches Leben schöner und reichhaltiger zu gestalten und letztlich, um mit anderen dieses Leben zu feiern. Haben wir jedoch nie gelernt, zu uns selbst ein liebendes Verhältnis aufzubauen und zu pflegen, fällt es uns schwer, dem Ruf unseres Herzens zu folgen, das nichts als lieben will.
Viele Frauen und Männer sind, während sie arbeiten, nicht bei sich selbst, sie schalten innerlich ab und spüren selbst ihren Körper nicht mehr. Manche berichten, dass sie den ganzen Tag nichts essen und trinken, während sie schuften und erst am Abend merken, wieviel Hunger oder Durst ihr Körper hat. Dies ist ein Höchstmaß an Unbewusstheit und geht auf Dauer zu Lasten von Seele und Körper. Um den Kontakt zu diesen beiden wiederherzustellen, ist es wichtig, immer wieder kleine Pausen zu machen und dem Tag wieder einen sinnvollen Takt zu geben.
Das bewusste Essen am Mittag und am Abend gehört zu den wichtigen Takt-Gebern des Tages. Selbst der Gang zur Toilette kann dazu benutzt werden, wieder zu sich selbst, wieder zur Besinnung zu kommen und den eigenen Körper bewusst wahrzunehmen. Und der Feierabend will seinem Namen gerecht werden durch Entspannung, Feiern, Genuss, ob in der Badewanne, der Sauna, auf dem Massagetisch, ob mit einem guten Buch, einem schönen Essen, einer liebevollen Gemeinschaft unter Freunden oder beim abendlichen Spaziergang. Jeder kann selbst dafür sorgen, dass er Genuss-Minuten oder Genuss-Stunden am Tag erlebt, mit anderen und mit sich selbst.
So soll als letztes das bewusste Mit-sich-selbst-Sein empfohlen werden, das in der heutigen so reiz-intensiven Zeit wieder gepflegt werden darf. Denn nur wenn der Mensch in der Stille Zeit mit sich selbst verbringt, kann er wieder zu sich und damit zum Wesentlichen kommen, zum wichtigsten Menschen in seinem Leben, für dessen Gesundheit und Wohlergehen er ganz allein verantwortlich ist.
Empfohlene Meditationen von Robert Betz: