*) Quelle: "Ein Kurs in Wundern", Greuthof-Verlag

Als ich den Satz "Ohne deine Vergangenheit bist du sofort frei!" zum ersten Mal vor Jahren in dem herrlichen Buch "Ein Kurs in Wundern" las, durchfuhr es mich wie ein Blitz. Ich, besser "es" wußte in mir: "Das hier ist Wahrheit und sie ist wichtig für mich." Seit dem begleitet mich dieser Satz in meinem Leben und in meiner Arbeit und ich habe durch ihn Vieles geschenkt bekommen. Und ich wünsche mir sehr, dass auch Sie, die/der Sie diese Zeilen hier gerade lesen, die Geschenke empfangen können, die dieser Satz uns geben kann...

Wir leiden vor allem an unserer Vergangenheit; besser: wir leiden an unserem Unfrieden mit all dem, was geschehen ist seit unserer Kindheit. Wir leiden an der Kälte und Lieblosigkeit, die wir erfuhren, an den Enttäuschungen und Zurückweisungen, an dem Liebesentzug und den Strafen, an der Einsamkeit und der Trauer, an den Mißerfolgen und den Niederlagen, an dem Scheitern in Beziehungen und im Beruf und an vielem mehr. Dieses Leiden drückt sich aus in Form von Gefühlen der Schuld und der Scham, der Unzulänglichkeit und Minderwertigkeit, des Grolls und der Wut, der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, der Trauer und der Angst.

So schwer es für viele von uns war oder ist, all das zu fühlen. Ich behaupte: all unser Leiden beruht auf einem Irrtum; es beruht auf einer völlig verzerrten Sichtweise auf das Leben allgemein und auf unser persönliches Leben im speziellen und auf einer Menge unwahrer Gedanken darüber. Ich möchte niemanden verletzen, auch wenn sich manch einer durch diese Zeilen unverstanden oder gar verletzt fühlen mag. Ich behaupte: Sie können mit Ihrem Leiden heute aufhören; niemand zwingt Sie zu leiden, weder das Leben, noch der liebe Gott. Nur Sie allein halten sich heute im Kreislauf des Leidens gefangen.

Bevor Sie weiterlesen, halten Sie bitte kurz inne, schliessen die Augen und fragen sich: "Will ich wirklich frei sein von allem Leid? Will ich Schluss machen mit Schuld und Scham, mit Angst und Kleinheit? Bin ich bereit, mich zu entscheiden für ein Leben in Freiheit – ohne jedes Leid und ohne Schmerz???"

Der "Normalmensch" hat Angst vor Freiheit
Vielleicht denken Sie: Was für eine Frage? Das ist doch klar, dass sich jeder wünscht, frei zu sein. – Nein, das stimmt leider nicht. So merkwürdig es klingt: Die meisten Menschen haben kein Interesse an Freiheit. Sie haben sich bestens eingerichtet in ihrer Unfreiheit und in ihren Leidensgeschichten und würden sich mit allen Händen dagegen wehren, wenn jemand versuchen würde, sie aus ihrem Gefängnis zu befreien. Das war schon vor 2000 Jahren so, als Jesus mit seiner Freiheits- und Liebesbotschaft kam (nicht zu verwechseln mit dem, was die Kirchen daraus machten) und das ist noch heute so. Die Botschafter der Freiheit werden heute zwar nicht mehr auf realen Scheiterhaufen verbrannt oder ans Holz genagelt, aber dasselbe findet nach wie vor auf anderen Ebenen statt. Sie werden verleumdet und verlacht, ausgegrenzt und als 'Spinner', 'Sektenführer', 'Gurus' oder anderes betitelt und aus Kirchen, Verbänden und den Zirkeln der "Normalgesellschaft" ausgeschlossen.

Der "Normalmensch" im Westen wünscht sich keine Freiheit. Er wünscht sich eine sichere Rente und dass seine kleine Aktienanlage hohe Rendite abwerfen möge. Er wünscht sich, dass seine Ehe halten möge, auch wenn das Feuer der Liebe schon lange erloschen ist. Er wünscht sich einen vollen Kühlschrank, einen sicheren Arbeitsplatz und abends ein bißchen Spass, und wenn's vor der Glotze ist. Freiheit ist das allerletzte, was sich der Durchschnittsmensch hier bei uns wünscht.

Wenn Sie einen Vogel im Käfig aufziehen und halten, dann ist dieser Käfig sein Leben. Wenn Sie einen Delphin im Delphinarium gross werden lassen, dann ist das sein Raum, den er erfassen und in Besitz nehmen kann. Was jenseits davon ist, davon hat er keine Ahnung; davon kann er bestenfalls träumen. Und genauso hält sich der Normalmensch krampfhaft an den Stäben seines selbst errichteten Gefängnisses fest und seine größte Angst ist die, dass sich irgendetwas Wesentliches radikal verändern könnte in seinem Leben. Der Normalmensch haßt grosse Veränderungen im Leben und schon damit erzeugt er grosses Leid. Denn er verstößt hiermit gegen das Leben selbst. Leben heißt ständige Bewegung, ununterbrochene Veränderung. Stellen Sie sich vor, ein schöner Fluss würde morgens aufwachen und zu sich selbst sagen: Heute will ich mal nicht fliessen, heute will ich ein Teich sein und stehen bleiben... Jedem leuchtet die Unmöglichkeit dieses Unterfangens ein. Aber genauso wie dieser Fluss verhalten sich Millionen Menschen jeden Tag. Sie sagen: "Leben, halt an! Ich will nicht, dass sich die Dinge verändern. Ich will jetzt, dass es genauso bleibt. Ich habe mich jetzt in meiner Ecke so eingerichtet und daran gewöhnt – bitte keine Veränderungen mehr!!!"

Und dann geht dieser Mensch in den Tag und ärgert sich über viele kleine und manch grosse Veränderung, die ihm ins Haus stehen: plötzlich wird sein Körper krank. Oder der Partner verläßt ihn nach 20 Jahren. Oder der so sicher gewähnte Arbeitsplatz ist plötzlich gar nicht mehr sicher. Das noch gestern so makellose Auto hat schon eine Menge Kratzer und kleiner Beulen. Und in den Nachrichten tönt es panikhaft, dass auf den Finanzmärkten und in der Wirtschaft gar nichts mehr so sicher sei, wie es noch vor kurzem schien. Das alles macht dem Normalmenschen Angst und so klammert er sich noch fester an die Stäbe seines kleinen Gefängnisses.

In Wirklichkeit gibt es keine Vergangenheit, nur Gegenwart
Zu den Stäben dieses Gefängnisses gehören ganz wesentlich unsere Gedanken und Gefühle über das, was wir Vergangenheit nennen. Diese halten uns gefangen. Ganz besonders großen Raum nimmt hierbei die Zeit unserer Kindheit und Jugend ein. Diese so wichtigen Jahre des kleinen Mädchens und des kleinen Jungen, als wir klein, abhängig, liebesbedürftig und so verletztlich waren, all diese Jahre sind lebendig in uns wirksam, auch wenn sie unserem Gedächtnis nicht mehr zugänglich sind. Je unbewusster uns diese Zeit ist, umso stärkt beeinflußt sie heute unser Leben und unsere Befindlichkeit.

Der Kopf wehrt hier gerne ab, wenn er sagt: "Lass doch die Vergangenheit ruhen. Das ist doch schon so lange her..." Und auch hierin irrt der Verstand. Denn die Wahrheit heißt: Es gibt in Wirklichkeit keine Vergangenheit. All das, was das kleine Mädchen bzw. der kleine Junge damals erlebt hat samt seinen Gefühlen des Leidens, der Wut, der Trauer, der Angst, der Schuld usw. – all das existiert hier und jetzt ganz lebendig in jedem von uns und es steuert uns in unseren Beziehungen im Privaten wie am Arbeitsplatz.

Beispiele:

  • Wenn der oder die Vorgesetzte Sie wieder mal kritisiert oder nicht ausdrücklich lobt, wenn Sie etwas Besonderes geleistet haben, dann reagiert das Kind in Ihnen verschnupft oder beleidigt. Es ist nicht die oder der 50jährige Erwachsene.

  • Wenn Ihr Mann oder Ihre Frau eine Nacht lang weg und das Bett neben Ihnen kalt bleibt, dann ist es das Kind in uns, das schnell in Angst und Panik gerät.

  • Wenn Sie morgens wach werden und es denkt in Ihnen: "Ich muss mich beeilen, ich muss arbeiten", dann ist es der Jugendliche in ihnen, der gelernt hat zu glauben, sich Liebe und Anerkennung durch Leistung verdienen zu müssen.

  • Und wenn Ihre achtzigjährige Mutter sie heute abend anruft und Ihnen vorwirft, dass Sie sich doch bitte öfter bei ihr melden könnten, nach all dem, was sie für sie getan habe, dann spüren Sie sehr schnell, wie unfrei es in Ihnen ist, obwohl Sie mittlerweile selbst zwei Kinder groß gezogen haben oder eine Firma mit vielen Angestellten leiten. Wieso hat Ihre Mutter Macht über Sie und Ihr Wohlbefinden? Weil der kleine Junge oder das kleine Mädchen in Ihnen nach wie vor ängstlich darum bemüht ist, es Mama recht zu machen, um die paar Brosamen an Liebe und Zuwendung zu erhalten, nach denen sich die Kinderseele sehnte.

 

Das innere verletzte Kind steuert den Erwachsenen
Das Kind, das damals immer wieder zurückgewiesen wurde mit seinem Wunsch, bedingungslos angenommen und geliebt zu werden, steuert uns im Alltag viel mehr als uns bewusst und lieb ist. Für den Verstand ist dieses Kind Vergangenheit, in Wahrheit jedoch ist dieses Kind höchst lebendig in uns aktiv. Wir laufen in erwachsenen Körpern durch das Leben, aber wir verhalten uns in entscheidenden Situationen wie kleine Kinder.

Wie befreien wie uns von dieser "Vergangenheit"? Indem wir diesem Kind in uns endlich unsere Aufmerksamkeit und Liebe schenken, nach der es sich seit damals sehnt. Sein Kopf denkt: "Mama oder Papa sollten mich endlich lieben, loben und anerkennen." Das aber wird nicht mehr geschehen und ist nicht das Wesentliche. Wir selbst sind es, die uns heute alle Liebe, Lob, Wertschätzung, Anerkennung und Zuwendung schenken können und müssen, um in unsere Freiheit zu gelangen. Die Liebe zu uns selbst – und auch zu dem Kind in uns – ist ein Kernschlüssel zur Freiheit und zur Lebensfreude. Wer das Kind in sich erlösen möchte, der kann dies tun durch eine meiner erfolgreichsten Meditations-CDs der letzten Jahre. Sie heißt:"Befreie und heile das Kind in dir" .Wer diese Meditation regelmässig mit sich macht, der befreit sich mehr und mehr von den Zwangsvorstellungen und der Not dieses inneren Kindes und damit wird er frei von der Vergangenheit. Denn die Wahrheit ist: Wir alle haben unsere Kindheit überlebt und die Verletzungen und Wunden aus dieser Zeit kann nur einer heilen. Und das sind wir selbst. Dafür sind unsere Eltern und auch kein Therapeut zuständig und verantwortlich, nur wir selbst.

Unsere Vergangenheit hält uns zudem gefangen durch all die Verstrickungen, die sich im Unsichtbaren gebildet und immer stärker gefestigt haben zwischen uns selbst und den Personen, von denen wir uns in der Vergangenheit abhängig fühlten und an die wir – in unserem Denken und Fühlen – Macht abgaben. Es gibt keine Kindheit, bei der sich das Kind nicht mit Mutter und Vater verstrickt. Ja selbst mit einem meist abwesenden Vater verstricken wir uns, weil wir als Kind unter seiner Abwesenheit oft leiden. Es sagt in uns: "Papa ist nie da." Oder: "Papa geht immer weg, er verläßt mich immer wieder."

Überzeugungen aus der Kindheit halten uns bis heute gefangen
Es ist nicht nur für den offensichlich leidenden Menschen wichtig, die Verstrickungen mit Vater und Mutter zu lösen und zu klären. Es ist für jeden Menschen, der sich ein Leben in Freude und Freiheit wünscht, absolut notwendig, dies zu tun. Denn diese Verstrickungen haben kein Haltbarkeitsdatum, ab dem sie schwächer und schwächer werden. Nein, sie sind auch im 80jährigen Menschen voll wirksam und steuern diesen Menschen nach wie vor in seinen zwischenmenschlichen Beziehungen, wenn er sie nicht gelöst hat.

Ich behaupte: Der mit Abstand größte Teil des Leidens und der Enttäuschungen in unseren Paar-Beziehungen, in Ehen und Partnerschaften, rührt aus diesen Verstrickungen mit der Mutter und dem Vater der Kindheit. In unseren Mann-Frau-Beziehungen brechen die alten Wunden immer wieder auf, die damals nicht heilen konnten. Wir holen Eltern-Lektionen nach, damit wir begreifen: Mein Mann ist nicht mein Vater, meine Frau ist nicht meine Mutter. Aber wenn ich damals dachte: "Papa ist nie da für mich" und diese innere Erfahrung wird nicht geheilt, dann ist es höchst wahrscheinlich, dass sich auch der heutige Mann immer wieder verdünnisieren wird, sei es ins Büro oder zu einer Freundin ins Bett... Denn in dieser Frau heisst es dann oft verallgemeinernd "Männer gehen immer weg." Und nach deinem Glauben geschehe dir.

Nicht unsere Vergangenheit macht uns also unfrei, sondern die Art, wie wir heute innerlich mit ihr umgehen, unsere innere Wahrnehmung dessen, was damals geschah. Einerseits sind es die Gedanken, die wir in Kindheit und Jugend lernten zu denken über uns selbst, über das Leben, über die Erwachsenen, über die Männer und die Frauen usw., die uns bis heute innen gefangen halten. Warum? Weil sie heute nicht (mehr) wahr sind und unmittelbar Leiden produzieren müssen. Beispiele: Wenn das Kind sich verlassen fühlt, weil niemand sich wirklich für es interessiert, dann sind Gedanken wie "Niemand mag mich. Ich bin nicht liebenswert. Man sieht mich nicht." usw. die verständliche innere Reaktion des Kindes auf die äussere Situation und sie sind sogar oft zutreffend. Werden diese Gedanken jedoch immer – oft über Jahre – gedacht, dann denkt es auch im 30-, 40- oder 50-jährigen Menschen noch genauso.

Gedanken jedoch haben massive Folgen; sie erschaffen Lebenswirklichkeit. Und so kann man verstehen, dass interessante, attraktive, intelligente Menschen sich minderwertig fühlen, weil sie die Ablehnung oder das Desinteresse der anderen immer wieder reproduzieren, denn auf ihrer Stirn steht geschrieben: "Ich bin nicht interessant. Beachte mich nicht, denn ich bin es nicht wert." Die Glaubenssätze der Kindheit über mich selbst und die Welt da draussen, sind die mächtigsten Gitterstäbe unseres inneren Gefängnisses. Aber sie lassen sich in Luft auflösen, wenn wir bereit sind, unsere Gedanken wahrzunehmen und sie auf Wahrheit zu überprüfen. Hierzu eignet sich unter anderen die Methode 'The Work' nach Byron Katie, in der überall in Deutschland Seminare und Trainings stattfinden.

Freiheit erlangen wir nur über den Frieden
Wir können abschliessend feststellen: Sind wir mit unserer Vergangenheit in Unfrieden, dann setzt sie uns gefangen. Besser: wir setzen uns selbst ins Gefängnis des Unfriedens. Wer mit dem, was war, noch grollt und hadert, wütet oder trauert, der lebt noch nicht in der Gegenwart, der lebt noch nicht wirklich im Hier und Jetzt. Das Leben bzw. unsere Seele fordert uns auf, Frieden zu machen mit allem, was war, ganz egal, wie hart die Vergangenheit war. Egal, ob Sie geschlagen oder mißbraucht wurden, egal ob Sie betrogen oder verlassen wurden, egal, wie hart Ihre Erfahrungen mit Eltern, Geschwistern, Kindern, Partnern oder Arbeitgebern waren, es waren Ihre Erfahrungen und diese müssen immer einen Sinn haben, denn es gibt nichts Sinnloses in diesem Universum. Und jedes Aufrechterhalten von Verurteilung und Schuldzuweisung hat paradoxerweise immer nur eine Folge: Wir verurteilen uns damit immer auch selbst, denn jedes Urteil über jemand anderen macht mich selbst immer zum Opfer. Wir können niemanden in dieser Welt verurteilen, ohne uns selbst grosses Leid anzutun und uns in dem erlittenen Leidenszustand von damals festzuhalten.

Unser Herz, unsere Seele, ja jede Zelle unseres Körpers sehnt sich nach Frieden, nach Freude, nach Leichtigkeit, nach Liebe. Unser Verstand glaubt oft, das alles könne nur von aussen kommen, von dem Prinzen oder der Traumfrau oder vom Glück im Leben. Nein. Die Quelle aller Lebensfreude und aller Freiheit ist nur an einem Ort, in unserem Herzen. Ich lade jeden Leser herzlich ein: öffnen Sie Ihr Herz zunächst einmal für sich und den Weg, den Sie gegangen sind. Sie haben es sehr gut gemacht, so gut, wie Sie konnten. Geben Sie sich selbst die Würde und die Ehre zurück, die Sie selbst sich genommen haben durch Ihre abwertenden Gedanken über sich. Nehmen Sie mehr und mehr alle Urteile zurück, die Sie über sich selbst gefällt werden. Üben Sie Selbst-Vergebung, ein wichtiger Akt der Selbst-Liebe. Und öffnen Sie Ihr Herz für alle Menschen, die Ihnen nahe waren und die Sie vermeintlich verletzt haben. Die Wahrheit heißt: Sie konnten nicht anders. Sie haben ihr Bestes gegeben. Und diese Menschen warten auf Ihre Vergebung genauso wie Ihr eigenes Herz. Diese Haltung des Verstehens und des Vergebens und die Erkenntnis, dass wir alle hier bisher weitgehend unbewußte Schöpfer waren, die noch keine Verantwortung für ihre eigenen Schöpfungen und Verstrickungen übernommen haben, befreit uns aus dem Gefängnis des Unfriedens und der Unliebe.